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Vollautomatischer Helfer

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2023

Um bei der hämatologischen Spezialdiagnostik Zeit zu sparen, setzt das Inselspital in Bern seit Anfang dieses Jahres auf das automatische Probenvorbereitungssystem PS-10. Myriam Legros, leitende biomedizinische Analytikerin (BMA), und Janine Aebischer, BMA am Zentrum für Labormedizin, berichten von ihren Erfahrungen

Interview Stephan Wilk

Frau Legros, wie unterscheiden sich die Routine- und die Spezialhämatologie in Ihrem Laboralltag?

Myriam Legros

Da gibt es deutliche Unterschiede. Die Routinediagnostik, also das Blutbild, wird standardmäßig bei praktisch jedem Patienten angefordert. Dabei spielt es keine Rolle, ob Proben direkt aus dem Spital oder zum Beispiel von niedergelassenen Ärzten eingesendet werden. Dementsprechend ist der Probendurchsatz in der Routinehämatologie auch viel höher, weswegen wir in dem Bereich schon ganz früh mit Automatisation angefangen haben. Das ist in der Spezialdiagnostik wie der Flowzytometrie anders. Dort werden Proben auf explizite Fragestellungen hin untersucht, wofür es spezielle Analysen braucht.  Eine Automation ist in dem Bereich daher schwerer umsetzbar.

Bei welchen Erkrankungen braucht es eine spezialhämatologische Diagnostik?

Myriam Legros

Bei uns im Labor werden vor allem Proben von Patienten mit hämatoonkologischen Erkrankungen wie Leukämie oder Lymphom untersucht. Bei den Fragestellungen geht es darum, die Erstdiagnose zu stellen oder das Monitoring im Verlauf der Erkrankung zu unterstützen. So untersuchen wir beispielsweise bei Leukämiepatienten während und nach der Therapie, ob noch geringste Mengen maligner Zellen im Knochenmark vorliegen. Ein weiterer Schwerpunkt in unserem Labor sind immunologische Erkrankungen. Dazu zählen beispielsweise Erkrankungen aus dem rheumatischen Bereich und andere komplexe Autoimmundefekte sowie das Monitoring bei HIV-Infektionen.

Eine Frage zu Leukämien: Wie viele Erkrankungstypen lassen sich mittlerweile unterscheiden?

Myriam Legros

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat vor Kurzem eine neue Klassifikation herausgebracht, in der die genetischen Aspekte von Leukämien sehr stark gewichtet werden. Dank der Kenntnisse über die Genetik können wir heute etwa 50 Leukämieformen spezialdiagnostisch unterscheiden. Im ersten Schritt wird immer noch untersucht, welche Zelllinie betroffen ist, also ob es sich um eine myeloische oder lymphatische Leukämie handelt. Für die weitere Klassifizierung spielen dann die genetischen Veränderungen eine wichtige Rolle. Da laufend weitere genetische Mutationen, die in Assoziation zu malignen hämatologischen Erkrankungen stehen, entdeckt werden, wird sich die Klassifikation noch laufend erweitern.

Seit wir den PS-10 haben, läuft die Dokumentation der verwendeten Antikörper automatisch ab und die lückenlose Rückverfolgbarkeit ist garantiert

Myriam Legros

Gibt es unter den Leukämieformen einige, die besonders häufig vorkommen?

Myriam Legros

Natürlich gibt es Mutationen, die häufiger vorkommen als andere. Die Häufigkeit der Leukämieform variiert aber auch, so ist die Verteilung bei Kindern zum Beispiel anders als bei Erwachsenen. Da wir bereits in der Inselgruppe ein sehr diverses Patientenkollektiv haben und daneben auch Proben von zahlreichen externen Einsendern erhalten, begegnen uns in unserem Arbeitsalltag praktisch alle möglichen Leukämieformen.

Frau Aebischer, wie viele Proben werden insgesamt pro Tag spezialdiagnostisch in Ihrem Labor untersucht und wie viel Zeit braucht es für einzelne Analysen?

Janine Aebischer

Im Schnitt kommen täglich etwa 20 Proben mit hämatologischen Fragestellungen bei uns ins Labor und etwa genauso viele mit einer immunologischen Indikation.

Wie groß der Aufwand der Bearbeitung ist, hängt stark von der jeweiligen Fragestellung ab, richtig?

Janine Aebischer

Die Proben werden zunächst gewaschen, anschließend pipettieren wir einen Cocktail mit passenden Antikörpern und dann folgt ein Lyseschritt. Nach einem weiteren Waschschritt erfolgt die Messung am Gerät. Die gesamte Präanalytik dauert etwa 45 Minuten. Der Zeitaufwand für die Messung am Gerät und die Auswertung der Daten hängt stark von der Fragestellung ab. So ist eine Erstdiagnose mit hoher Leukozytenzahl meist schneller analysiert als eine Verlaufsuntersuchung mit tiefen Leukozytenzahlen und komplexen Auswertungsstrategien.

Sie haben Pipettieren erwähnt. Macht diese Tätigkeit einen großen Anteil der Laborarbeit aus?

Janine Aebischer

Der oben beschriebene präanalytische Prozess erfordert mehrere Pipettierschritte und ist ein relevanter Anteil unserer täglichen Aufgaben. Wir weisen Oberflächenmoleküle und intrazelluläre Proteine anhand der Bindung von fluoreszenzmarkierten Antikörpern nach. Dafür untersuchen wir je nach Fragestellung definierte Antikörper-Panels. Das heißt, wir analysieren mehrere Ansätze mit je bis zu zehn Antikörpern. Um Pipettierschritte zu reduzieren, werden diese Antikörper im Voraus zu Cocktails gemischt. Zum Probenmaterial wird nun der Cocktail statt mehrerer einzelnen Antikörper pipettiert, dadurch lassen sich bereits Pipettierschritte reduzieren.

Sie nutzen in Ihrem Labor neuerdings das automatische Probenvorbereitungssystem PS-10. Wie hat sich die Präanalytik seitdem verändert?

Janine Aebischer

Die Präanalytik hat sich insofern geändert, dass wir Cocktails nicht mehr händisch mischen müssen. In erster Linie haben wir den PS-10 eingeführt, um die Dokumentation der Antikörper-Cocktails zu erleichtern, denn wir müssen entsprechend der Akkreditierungsnorm retrospektiv nachweisen können, bei welchem Patienten wir welche Antikörper mit welcher Lotnummer angewendet haben. Die händische Dokumentation von Verfallsdaten, Lotnummern und Mischungen bindet viele Personalressourcen, braucht aber kein spezifisches Fachwissen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, diese Aufgaben zu automatisieren und den PS-10 in unsere Abläufe zu integrieren. Neben der lückenlosen Dokumentation ist die Automatisation des Pipettierens für uns natürlich auch ein Vorteil. Denn wenn man mehrere Antikörper per Hand zusammen pipettiert, können leicht Fehler passieren. Und das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Dass der PS-10 zusätzlich auch noch Proben verarbeiten kann, ist natürlich praktisch, und im nächsten Schritt wollen wir diese Funktionen verstärkt nutzen.

Wie läuft die automatische Cocktailmischung ab?

Janine Aebischer

Die läuft wirklich intuitiv und schnell. Wir geben einmalig am Gerät die Antikörper, die wir brauchen, ein und dann werden die Cocktails automatisiert pipettiert. Das Gerät zeigt laufend den Fortschritt der Arbeit an, registriert gleichzeitig die Lotnummern aller verwendeten Antikörper und speichert diese so ab, dass sie über Jahre nachvollziehbar dokumentiert sind. Das spart unseren BMA viel Zeit, die für fachspezifische Aufgaben eingesetzt werden kann.

Wurde das System von den biomedizinischen Analytikerinnen und Analytikern gut angenommen?

Myriam Legros

Das Handling ist sehr nutzerfreundlich und intuitiv, vor allem, wenn man bereits mit Sysmex Geräten gearbeitet hat. Deshalb sind die Mitarbeiter mit dem PS-10 auf Anhieb gut zurechtgekommen. Selbstverständlich war es anfangs eine Umstellung, da sich Abläufe seit der Einführung des PS-10 grundlegend verändert haben. Aber grundsätzlich ist das Feedback sehr positiv. Vor allem, weil unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Fokus nun auf die Analytik legen können und dankbar sind, dass sie vom Dokumentationsaufwand befreit sind. Nach der Planungsphase ist die Implementierung auch sehr schnell gegangen, da wir Sysmex Geräte und auch die Philosophie von Sysmex kennen und auf unseren Erfahrungen aufbauen konnten.

Summary

  • Das Inselspital in Bern hat sich für das automatische Probenvorbereitungssystem PS-10 entschieden
  • Die leitende BMA Myriam Legros schätzt vor allem, dass die Antikörper-Cocktails automatisiert pipettiert und dokumentiert werden

Fotos Sébastien Agnetti

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