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Selbstverteidigung gegen den Krebs

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 2/2022

Im Kampf gegen den Krebs bietet die Immuntherapie vielversprechende Erfolgsaussichten. Dafür sind jedoch akkurate Testverfahren nötig – dem Blutbild könnte dabei eine besondere Rolle zukommen

Text: Dr. Tanja Wille

Den Krebs mit dem eigenen Immunsystem bekämpfen – das ist das Prinzip der Krebsimmuntherapie. Dieser therapeutische Ansatz verbucht seit Zulassung des ersten Checkpoint-Inhibitors im Jahr 2011 bemerkenswerte Erfolge und wurde von der American Society of Clinical Oncology (ASCO) mehrfach zum „The advance of the year“ gekürt. Zunächst bei Patientinnen und Patienten mit malignem Melanom angewendet, hat diese Art der Therapie mittlerweile Einzug gehalten in die Behandlung von über 20 Entitäten solider Tumoren und ist inzwischen Standard in der Therapie einiger hämatologischer Krebserkrankungen.

Der Schlüssel dazu ist unser adaptives Immunsystem – mit Zellen, die auf die Erkennung und Zerstörung körperfremder oder entarteter Zellen spezialisiert sind: T-Lymphozyten binden an tumorassoziierte Oberflächenproteine von Krebszellen und setzen eine Kaskade von Immunreaktionen in Gang, an deren Ende die Zerstörung der Tumorzelle steht. Allerdings sind viele Tumorarten in der Lage, diese für sie tödliche Kaskade zu blockieren. Etwa indem sie den T-Zellen den Oberflächenmarker „Programmed Death Ligand 1“ (PD-L1) präsentieren, der sie als körpereigen tarnt. Auf diese Weise schützen sich die Tumorzellen vor dem Angriff des Immunsystems (Immunescape).

Genau hier setzt die Krebsimmuntherapie mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren an. Das sind therapeutisch eingesetzte Antikörper, zum Beispiel gegen PD-L1 auf den Tumorzellen.

Durch die Antikörperbindung wird die Tarnung der Krebszellen aufgehoben und die Immunblockade aufgelöst. Damit kann das Immunsystem die Krebszellen wieder erkennen und zerstören.

Wer profitiert von der Immuntherapie?

Trotz der großen Erfolge dieses therapeutischen Ansatzes bringt er für Betroffene und Behandelnde auch Herausforderungen mit sich. Dazu zählt, dass nur ein Teil der Patientinnen und Patienten gut auf diese Therapie anspricht. Es muss also zunächst ermittelt werden, wer ein gutes Ansprechverhalten zeigen wird. Nach der Patientenselektion mittels derzeit angewandter diagnostischer Tests – einschließlich immunhistochemischer und molekularer Analysen – profitieren nur etwa 20 bis 40 Prozent der Behandelten von der Immuntherapie. Bessere Biomarker zur Patientenauswahl werden also dringend benötigt.

Nebenwirkungen der Therapie

Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Mechanismus dieser Behandlungsmethode: Denn auch gesunde Körperzellen nutzen die Expression von PD-L1, um sich vor dem Angriff des Immunsystems zu schützen. Die Checkpoint-Inhibitoren setzen damit nicht nur die Immunreaktion gegen die Krebszellen in Gang, sondern der immunstimulierende Effekt wirkt sich häufig leider auch auf gesunde Körperzellen aus. Daraus resultieren teils

ernsthafte Autoimmunreaktionen als Nebenwirkungen der Therapie (immune related adverse events – irAEs) mit Symptomen wie Hautreaktionen, Entzündungen des Darms, autoimmune Hepatitis und Lungenentzündung oder auch Endokrinopathien, also Störungen der Hormonproduktion oder -regulation.

Die Empfehlungen zum Umgang mit diesen Nebenwirkungen umfassen derzeit ein engmaschiges Monitoring der Betroffenen sowie – je nach Schweregrad der Symptome – die Behandlung mit Kortikosteroiden bis hin zum Abbruch der Therapie. Je früher das Auftreten dieser Nebenwirkungen erkannt wird, desto besser können sie behandelt und der Abbruch der Krebstherapie vermieden werden. Auch hier lohnt die Erforschung weiterer Biomarker, die drohende Autoimmunreaktionen früh anzeigen können.

Etablierte Methode für die neuen Herausforderungen

Die Herausforderungen der Immuntherapie – die Patientenselektion sowie die Früherkennung sich anbahnender Nebenwirkungen– sind Gegenstand intensiver Forschungen. Vor diesem Hintergrund könnte ein etablierter diagnostischer Ansatz wertvolle Informationen liefern: das Blutbild. In mehreren wissenschaftlichen Arbeiten wurde bereits gezeigt, dass verschiedene Blutzellparameter mit der Ansprechrate auf die Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren korrelieren. Sollten sich diese Erkenntnisse erhärten, so könnten künftig beispielsweise die Neutrophile-zu-Lymphozyten-Ratio oder auch die absolute Lymphozytenzahl bei der Auswahl von Patientinnen und Patienten für die Immuntherapie unterstützen.

Des Weiteren könnte mithilfe des Blutbilds auch das Auftreten von Autoimmunreaktionen als Nebenwirkung der Therapie sehr früh erkannt werden. Hier haben sich Blutzellparameter wie die Zahlen der Eosinophilen und Lymphozyten in wissenschaftlichen Arbeiten als vielversprechende Kandidaten erwiesen. Es wäre zu erwarten, dass der Aktivierungsstatus von Lymphozyten (RE-LYMPH und AS-LYMPH), Monozyten (RE-MONO) oder Neutrophilen (NEUT-RI und NEUT-GI) in diesem Kontext einen zusätzlichen Beitrag leisten könnte. Diese erweiterten Aktivitätsparameter liefern Informationen über die zelluläre Aktivierung der angeborenen und adaptiven Immunantwort. Auf Sysmex Hämatologie-Analysegeräten können sie als Teil des Differenzialblutbilds mitgemessen werden.

Es bleibt abzuwarten, ob weiterführende Studien und die Untersuchung der erweiterten Aktivitätsparameter den prädiktiven Wert des Differenzialblutbilds zur Patientenselektion oder deren Eignung zur Früherkennung immuntherapiebedingter Nebenwirkungen bestätigen können. In diesem Fall wäre das Blutbild ein vielversprechender Partner zur Unterstützung der Krebsimmuntherapie.

 

Summary

  • Für die vielversprechende Krebsimmuntherapie muss die Medizin eine Vorauswahl kompatibler Patientinnen und Patienten treffen
  • Neben immunhistochemischen und molekularen Tests könnten künftig auch weitere Blutbildanalysen bei den Herausforderungen helfen

 

Fotoquelle: istock

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