„Breitbandantibiotika sind mir einfach zu ungenau!“
XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2025
Die Arztpraxis „PraeMedicum“ bei Prof. Karle in Künzelsau setzt auf das PA-100 AST System, um bei Harnwegsinfekten schnell eine Keimresistenzbestimmung durchzuführen
Text: Anja Lang
Fotos: Sebastian Lock

Nur wenige Kilometer von der malerischen Kleinstadt Künzelsau entfernt gelangt man über hügelige Landschaften zum historischen Schlossgelände Stetten, das idyllisch auf einem Bergsporn gelegen ist. Noch bevor die mittelalterliche Burg im Blickfeld erscheint, trifft man rechter Hand auf die Praxis „PraeMedicum“, die dort seit rund viereinhalb Jahren in einem ansprechenden Neubau untergebracht ist. Inhaber Prof. Dr. Christoph Karle hat sich auf die Bereiche innere Medizin, Kardiologie, Hypertensiologie und Hightechdiagnostik spezialisiert. Der Unterschied zur traditionsreichen Umgebung könnte größer kaum sein.
Sobald sich die automatischen Glasschiebetüren im Eingangsbereich öffnen, werden Besucherinnen und Besucher mit modernster Technologie auf allen Ebenen konfrontiert. Über der Empfangstheke zwischen den beiden Patientenwarteräumen prangt ein riesiger LED-Bildschirm mit KI-gesteuerter Weisungsfunktion. Darüber werden die Patientinnen und Patienten zu den umfangreichen Diagnostikeinheiten geleitet. Auf einer Fläche von rund 1.200 Quadratmetern gehören dazu unter anderem eine Echokardiografie, Lungenfunktionstestung, personalisierte Blutdruckmessung, Augentomografie, eine Plattform zur Kapselendoskopie, ein Ganzkörperscanner zur Hautdiagnostik sowie eine funkgesteuerte Herzschrittmacherüberwachung und das erste Telemedizinzentrum in Süddeutschland. Im Untergeschoss befindet sich zusätzlich ein komplett eingerichteter Operationsbereich, in dem ambulante Herzkatheteruntersuchungen mit Ballondilatationen sowie Implantationen von Herzschrittmachern und Herzunterstützungssystemen durchgeführt werden können. Selbstverständlich gibt es auch ein üppig ausgestattetes Arztlabor, in dem alle wichtigen Laborparameter direkt vor Ort ermittelt werden können.


Als einer der ersten Anwender hat sich Prof. Dr. Karle auch für die Installation des innovativen PA-100 AST Systems von Sysmex Astrego entschieden. Dieses Point-of-Care-Gerät ermöglicht es, bei Verdacht auf Harnwegsinfekt (HWI) aus einer winzigen Urinprobe innerhalb von 15 Minuten vollautomatisch eine Bakteriurie sowie nach 30 bis 45 Minuten die jeweilige Empfindlichkeit der gefundenen Keime auf die fünf gängigsten Antibiotika bei HWI zu ermitteln. Damit steht das passende Antibiotikum innerhalb von 45 Minuten fest und die sonst oft übliche Gabe von Breitbandantibiotika erübrigt sich. Angesichts der weltweit dramatischen Zunahme von Antibiotikaresistenzen, die jährlich rund 1,3 Millionen Menschenleben kostet, kann diese neue Technologie dazu beitragen, die weitere Ausbreitung von Resistenzen zu bremsen und somit aktiv Menschenleben retten. Eine kleine Sensation, für die das PA-100 AST System 2024 mit dem „Longitude Prize on AMR“, dem höchstdotierten Wissenschaftspreis der Welt in Höhe von acht Millionen Pfund ausgezeichnet wurde. Wie sich das Gerät in der täglichen Routine einer Arztpraxis bewährt, darüber haben wir mit Prof. Dr. Karle gesprochen.


Herr Professor Karle, der Harnwegsinfekt, kurz HWI, ist eine der häufigsten bakteriellen Infektionen weltweit. Wie äußert sich dies in Ihrer täglichen klinischen Praxis?
Unsere Praxis ist spezialisiert auf „personalisierte Medizin“ im Bereich der inneren Erkrankungen und in Schnittmengen mit benachbarten Fachgebieten. Zu uns kommen vor allem Patienten mit umfassenden Erkrankungen. Also Patienten, die oft mehrere Begleiterkrankungen wie Tumor, pulmonale Herzkrankheit oder auch künstliche Herzklappen haben und entsprechende Medikamente oder manchmal auch Immunsuppressiva nach Transplantationen benötigen. Wir haben täglich etwa ein bis zwei Patienten, die Symptome einer HWI zeigen.
Was sind die Herausforderungen in Bezug auf die Diagnose und Behandlung eines HWI im niedergelassenen Bereich?
Gerade bei älteren multimorbiden Patienten sollte ein „Brennen beim Wasserlassen“ oder ein unspezifisches „Ziehen im Unterbauch“ ernst genommen werden, noch ehe es sich in Fieber oder Schüttelfrost äußert. Denn die damit verbundene „Urosepsis“ kann schnell schlimmer werden und zu einer foudroyanten Verschlechterung der Nierenfunktion führen oder in einer Sepsis mit Bewusstseinsverlust enden. Die betroffenen Patienten sind dann „kritisch krank“. Unter Gyrasehemmern entwickeln alte Patienten jedoch teilweise auch psychiatrische Phänomene, Desorientiertheit und Delirien. Das ist hochgefährlich und leider relativ typisch bei Altenheimbewohnern. Hier sind eine rasche Bestimmung des Keims und gezielte Versorgung mit dem passenden Antibiotikum sehr hilfreich. Je genauer wir im ambulanten Bereich arbeiten, umso effizienter kann letztendlich eine „teure“ Krankenhausbehandlung oder Schlimmeres vermieden werden.
Antimicrobial Resistance ist eines der gravierenden Gesundheitsprobleme des 21. Jahrhunderts. Wie bewerten Sie den Beitrag des HWI zum Anstieg der AMR?
Harnwegsinfekte sind – insbesondere bei Frauen aufgrund der anatomischen Gegebenheiten oder bei Herzkranken, die mit einem SGLT2-Inhibitor zu behandeln sind – sehr häufig. Bei multimorbiden oder geriatrischen Patienten oder bei Patienten unter Immunsuppressiva ergeben sich noch weitere Faktoren, die vor dem Hintergrund multipler Vortherapien mit anderen Antibiotika bei anderen Krankheitsbildern nicht besser werden. Daraus leitet sich die Gefahr einer Resistenzentwicklung bei Fehlbehandlung eindeutig ab.
Inwiefern kollidieren im klinischen Alltag der Wunsch von Patientinnen und Patienten nach direkter Behandlung mit Maßnahmen des Antimicrobial Stewardship?
In unserer Praxis passiert das so gut wie nie! Unsere Patienten kennen bereits die Vorteile einer zielgerichteten Therapie und möchten nicht aufs Geratewohl antibiotisch behandelt werden. Die Akzeptanz unserer Methode ist groß.
Wie real ist das Problem von Resistenzen gegenüber Antibiotika im Zusammenhang mit dem HWI in Ihrem Alltag? Wie häufig müssen Betroffene erneut behandelt werden?
Das passiert praktisch gar nicht – die erste Behandlung „sitzt“ in aller Regel. Die Patienten freuen sich sehr über den schnellen Therapieerfolg einer richtigen Behandlung.

„Je genauer wir arbeiten, umso effizienter kann eine teure Krankenhausbehandlung bei unzureichender ambulanter Therapie vermieden werden“
Wie sind Sie auf das PA-100 AST System aufmerksam geworden und was fasziniert Sie daran?
Wir sind ständig auf der Suche nach neuen wegweisenden Therapien im Bereich der personalisierten Therapie. Im Fall des PA-100 AST Systems sind wir bei einer Internetrecherche fündig geworden. Das System ist großartig, der Microfluidics-Charakter ohne Anreicherung der Erreger macht die Implementierung eines mikrobiologischen Sicherheitsbereichs überflüssig. Das Gerät kann damit ohne Zusatzqualifikation „Labormedizin“ als Point-of-Care-Gerät von allen Ärzten diagnostisch verwendet werden.
Das PA-100 AST System liefert ein Antibiogramm im Kontext des unkomplizierten HWI in weniger als einer Stunde. Welches Potenzial sehen Sie im PA-100?
Das Gerät ist fantastisch: Es bestätigt nicht nur die Existenz von Bakterien im Urin noch einmal mit einer anderen Methode, es liefert gleichzeitig Resistenz- und Suszeptibilitätsdaten zu den fünf wichtigsten Antibiotika, die man in der Therapie des Harnwegsinfekts kennt. Und es ist sehr schnell. Der Patient geht mit einer klaren Diagnose und Therapieempfehlung aus der Praxis heraus. Das Gerät hat das Potenzial, auch bei anderen bakteriellen Erkrankungen Keimresistenzen zu ermitteln. Es gehört – meiner Meinung nach – in alle allgemeinmedizinischen, internistischen, urologischen, nephrologischen und pädiatrischen Praxen.
Wie bewerten Sie das PA-100 AST System als Komplement zum gegenwärtigen klinisch-diagnostischen Standard-Workflow?
Wir wenden das System bei allen Harnwegsinfekten und auch bei Verdacht auf einen Harnwegsinfekt bei allen betroffenen Patienten an. Es ist eine ökonomisch sinnvolle Diagnostik mit gleichzeitiger Therapieempfehlung. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist hervorragend.