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Supergut dank Superblut?

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2022

Der Physikprofessor James Kakalios hat mit seinem Bestseller „Physik der Superhelden“ Comic-Fans weltweit für sein Fach begeistert. Welche physikalischen Grundgesetze in Comics stecken und was über Superblut bekannt ist – wir haben nachgefragt

Text: Verena Fischer

Die Historie der modernen Comic-Superheros beginnt in den frühen 1930er-Jahren mit der Erfindung von Superman durch die zwei US-Teenager Jerry Siegel und Joe Shuster. Indem sie ihren Helden als Säugling auf der Erde bruchlanden lassen, räumen sie gleichzeitig den Naturgesetzen einen Platz im Superwesenuniversum ein. Denn klar ist, dass es nur die Schwerkraft unserer Erde sein kann, die Supermans Rakete nach dem Start vom fernen Heimatplaneten Krypton in ihren Bann zieht und damit dessen Schicksal besiegelt. Mittlerweile gibt es in den fiktiven Welten von DC und Marvel zahlreiche Figuren mit Superkräften, die sich auf der Leinwand und in Comics begegnen. Da es dabei nicht immer friedlich zugeht, fließt auch manchmal Superblut, über das wir bisher allerdings nur wenig wissen.

Nehmen wir zum Beispiel die Marvel-Figur Blade, die halb Vampir und halb Mensch ist. Er benötigt zum Überleben regelmäßige Blutinfusionen, hat also auf jeden Fall eine chronische Anämie, da er selbst gar keinen oder nur sehr wenig roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) besitzt. Blade entwickelt aber mit der Zeit eine Immunität gegenüber den Transfusionen, was wiederum ein Beleg dafür ist, dass er ein Immunsystem haben muss. Rein wissenschaftlich ist also damit zu rechnen, dass im Blutbild von Blade zwar weiße Blutzellen zu sehen sind, aber keine oder nur wenige rote Blutkörperchen vorkommen. Was aber erzählen uns die Comics und Filme selbst über wissenschaftliche Erklärungen? Das ist ein spannendes Thema, mit dem sich kaum jemand besser auskennt als der US-Wissenschaftler und Superhero-Experte James Kakalios. Schließlich holen ihn sogar große Film-studios ans Set, damit wissenschaftliche Erkenntnisse in Comic-Verfilmungen einfließen.

Herr Kakalios, ist es aus wissenschaftlicher Sicht erklärbar, dass Superman übermenschliche Kräfte hat?

Einige von Supermans Superkräften sind die logische Folge eines Ortswechsels, da die Gravitation auf seinem Heimatplaneten Krypton viel größer als auf der Erde war. Wenn reale Menschen auf dem Mond landen, können sie dort, da die Schwerkraft nur ein Sechstel der Erdgravitation beträgt, plötzlich ebenfalls superhoch springen und superschwere Gewichte mit dem kleinen Finger stemmen. Im allerersten Comic legt Superman direkt einen Höhen-sprung von 200 Metern hin. Dafür müsste er eine Kraft von 25.000 Newton aufbringen, was der Gewichtskraft eines Lkw entspricht. Die meisten Menschen erreichen eine Sprungkraft des eigenen Gewichts, also muss Krypton etwa die 15-fache Erdgravitation gehabt haben.

Und ist denn eine solche Superschwerkraft eines Planeten wirklich möglich?

Mit steigender Masse eines Objekts wächst meistens auch dessen Größe. Über sehr große Planeten wissen wir allerdings, dass sie gasförmig sein müssen. Denn für solche Materialmengen stehen als Rohmasse im Universum nur Wasserstoff (73 Prozent) und Helium (25 Prozent) zur Verfügung. Alle anderen Bausteine wie Kohlenstoff oder Eisen machen gerade mal zwei Prozent der Materie aus. Im Comic war Krypton bewohnt, daher kann der Planet nicht gasförmig gewesen sein und muss etwa Erdgröße gehabt haben. Um trotzdem die 15-fache Erdgravitation zu erreichen, bräuchte es daher eine wesentlich größere Dichte. Die dichteste Materie, von der wir wissen, findet sich in Neutronensternen, wo alle regulären Atome mit ihren Protonen und Elektronen unter gewaltigem Druck in ein Material aus puren Neutronen gepresst wurden. Ein Teelöffel davon würde auf der Erde mehrere Millionen Tonnen wiegen. Bereits eine kleine Menge von diesem Neutronenstoff in Kryptons Kern könnte die notwendige Schwerkraft erzeugen, die Superman seine übermenschliche Kraft auf der Erde verleiht. Und so könnten wir auch gleich erklären, warum Krypton explodiert ist. Denn so ein superdichter Kern bedeutet für die Oberfläche eine enorme Belastung. Es würde zu Vulkanausbrüchen, schweren Erdbeben und Kontinentalverschiebungen kommen. Forschende wie Supermans Vater würden die Erdbeben entsprechend deuten und ihre Säuglinge in kleine Raketen packen, um sie zu einem fernen Planeten zu schicken.

Was wissen wir über das Blut von Superman?

Zunächst einmal, dass es sehr schwierig ist, überhaupt an Supermans Blut heranzukommen. Denn seine Haut ist fast unzerstörbar, normales medizinisches Gerät reicht nicht aus. In einem frühen Supermanheft von 1940 braucht seine Partnerin Lois Lane eine Bluttransfusion. Superman muss seine eigene Haut aufreißen, damit die Nadel zur Entnahme durchkommt. Die Ärzte sind dann erstaunt, dass sein Blut genau zur benötigten Blut-gruppe passt. Nach der Transfusion erholt sich Lois vollständig und überraschend schnell, sie fühlt sich gesünder und stärker als je zuvor.

Superblut hat also heilsame Kräfte?

Leider nicht immer. Nehmen wir das Beispiel von Spiderman, der nach einem radioaktiven Spinnenbiss Wände hochkrabbeln kann, Netze verschießt und superstark ist. In einer Geschichte will er Blut für seine kranke Tante May spenden. Das geht aber nicht so gut aus wie bei Superman. Denn weil sein Blut radioaktiv ist, verschlechtert sich der Zustand der Tante und sie stirbt fast.

Superkräfte können also nicht durch Bluttransfusion übertragen werden?

Es hängt vom konkreten Fall ab. Der besonnene Wissenschaftler Bruce Banner verwandelt sich bekanntermaßen regelmäßig in ein großes, grünes und megastarkes Monster namens Hulk. Das passiert immer, wenn er wütend wird. Im Comic wird das mit einem schiefgegangenen Experiment erklärt, bei dem Banners Blut durch Gammastrahlen verändert wurde. Eines Tages wird seine Cousine schwer verletzt, und er spendet ihr während einer Nottransfusion sein Blut. Von da an passiert dieselbe Verwandlung mit ihr – und geboren war die Comic-Figur She-Hulk.

Das klingt spannend. Wer hat denn aus wissenschaftlicher Sicht das interessanteste Comic-Superblut?

Ein Kandidat dafür ist auf jeden Fall Wolverine von den X-Men. In dessen Welt erhalten Menschen durch genetische Mutationen besondere Kräfte. Wolverine ist es dadurch möglich, Wunden und Krankheiten schnell zu heilen, und er altert ab einem bestimmten Zeitpunkt kaum noch, er bleibt also immer ein kräftiger Mann im besten Alter. Sehr interessant finde ich dabei, wie schnell sich sein Körper genau regenerieren kann. Offensichtlich gibt es ein spezifisches Zeitlimit für die Heilung einer Schnittwunde – sie dauert nicht Sekunden, aber auch nicht Monate. Es muss einen Grenzwert geben, der die durchschnittliche Heilungszeit bestimmt. Vielleicht könnten wir mit einer Probe von Wolverines Blut herausfinden, wie wir diesen ratenbegrenzenden Prozess zum Vorteil aller beschleunigen können. Außerdem frage ich mich, was mit dem Blut von Figuren passiert, die sich in Fels, eine Flüssigkeit wie Wasser oder in ein Gas verwandeln können. Was geschieht beispielsweise mit dem Blut des Spiderman-Bösewichts Sandman, wenn er sich in Millionen von Sandkörnern auflöst, und was mit dem vom Superheld Metamorpho, der sich in jedes beliebige Element des Periodensystems verwandelt?

Es gibt auch Comic-Figuren wie Ant-Man, die ihre Größe radikal verändern können. Was hätte das in der echten Welt für Auswirkungen auf den Körper?

Das stimmt, Ant-Man kann sich klein wie die namensgebende Ameise machen, was praktische Vorteile mit sich bringt: Ein Krümel Schokolade wird zum Vorratsberg und die Westentasche eines Piloten zur kostenlosen Mitfluggelegenheit in die Karibik. Es gibt aber auch Nachteile. Denn in Wirklichkeit wären sämtliche Sinne bei dieser Minigröße stark eingeschränkt. Man kann weder gut hören noch deutlich sprechen oder klar sehen. Auf Ameisengröße geschrumpft, reduziert sich die Länge der Stimmbänder etwa um den Faktor 300. So könnten wir Ant-Man zwar noch hören, aber nur sehr fiepsig. Andersherum kann er uns leider nicht mehr hören, da sich die Grundfrequenz seines Trommelfells so verschiebt, dass er unsere Tonfrequenz von etwa 200 Hertz (Schwingungen pro Sekunde) nicht mehr wahrnehmen kann. Und dann sieht er auch noch verschwommen, weil die Lichtstrahlen mit ihren natürlichen Wellenlängen kaum noch durch seine winzigen Pupillen passen.

Beim Thema Sehen sind wir wieder bei Superman, der mit seinem Röntgenblick im Comic alles problemlos durchleuchten kann. Ist das wissenschaftlich überhaupt möglich? Gerade für die Radiologie wäre das praktisch.

Die kryptonische Sicht funktioniert ganz anders als die menschliche. Wir können nur sehen, wenn Licht von einer externen Quelle von einem Objekt reflektiert wird und dann auf unsere Pupille trifft. Während dies bei Superman im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums genauso zu funktionieren scheint, senden seine Augen im Infrarot- (Wärmesehen) oder Röntgenbereich (Durchleuchten) des Spektrums eigene Lichtphotonen aus. Zwar können wir nicht dasselbe mit unseren Augen tun. Trotzdem ist es uns möglich, ohne einen Messerschnitt in das Innere eines Menschen zu schauen, indem wir die Magnetresonanztomografie und die Ultraschalltomografie verwenden. Dazu setzen wir Nicht-Comic-Menschen unsere größte Superkraft ein: unsere Intelligenz!

Summary

  • Superkräfte sind der Fiktion entsprungen, aber es lassen sich oft reale wissenschaftliche Erklärungen finden
  • Was genau Superblut ausmacht, unterscheidet sich von Hero zu Hero: heilsam, schädlich – und manchmal verleiht es sogar Superpower

 

Fotoquelle: shutterstock

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