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„Wie steht es um mRNA-Impfungen bei Krebs?“

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 2/2022

Interview mit Prof. Dr. Jochen Sven Utikal

Krebs mit mRNA-Vakzinen therapieren – wird das bald möglich sein?

Prof. Dr. Jochen Sven Utikal leitet die Hautkrebseinheit am Deutschen Krebsforschungszentrum und ist Direktor des Hauttumorzentrums in Mannheim. Im Interview berichtet er, welche Studien zum Thema gerade laufen.

Text: Verena Fischer

Herr Professor Utikal, was gibt es Neues aus der mRNA-Forschung?

Es laufen gerade Zulassungsstudien auf der ganzen Welt, und an einigen nehmen wir mit unserer Abteilung teil. In den Studien werden diverse Ansätze der mRNA-Technologie auf ihre Wirksamkeit an unterschiedlichen Tumor-Entitäten getestet. Kurz gesagt, gibt es einen personalisierten Ansatz, einen mit vorgefertigter mRNA für typische Tumorzellhauptantigene oder einen mit der Injektion von mRNA direkt in den Tumor.

Können Sie genauer beschreiben, wie die Injektion von mRNA wirkt?

Gern. Eine präklinische Studie dazu ist vor einem Jahr veröffentlicht worden. Basis der Injektionslosung war eine Kochsalzlosung mit vier mRNAs, die für die Zytokine Interleukin-12, Interferon-α, den Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor und IL-15 Sushi kodierten. Die Kombination führte nach der Injektion zu robusten Antitumor-Immunantworten und zur Ruckbildung des Tumors in mehreren Mausmodellen, einschließlich Modellen mit mehr als einem Tumor. Jetzt wird die Technologie, wie gesagt, in klinischen Studien erprobt.

Es wird also das Immunsystem auf den Tumor aufmerksam gemacht. Läuft es so auch bei den anderen Ansätzen?

Genau. So auch bei der Technologie, bei der ein Impfstoff gegen Hauptantigene für alle Patienten entwickelt wird.

Die Phase-1-Studie dazu ist im Jahr 2020 veröffentlicht worden.

Dabei bekamen Patienten mit fortgeschrittenem Melanom intravenös einen liposomalen RNA-Impfstoff verabreicht, der auf bis zu vier tumorassoziierte Antigene abzielte, die beim Melanom weitverbreitet sind. Im Ergebnis kam es zu einer starken CD4+- und CD8+-T-Zell-Immunität gegen die Impfstoffantigene, was darauf hindeutet, dass die Vakzinierung eine wirksame Immuntherapie sein kann.

Aber es gibt auch individualisierte Verfahren.

Wie funktionieren die?

Ein personalisierter Ansatz wurde im Jahr 2017 erprobt. Hier wurden Mutationen bei Tumoren einzelner Patienten genau analysiert und man hat geschaut, welche Neo-Epitope auf den Tumorzellen zu erkennen sind. Anschließend wurden für jeden Patienten bis zu zehn spezifische mRNAs generiert. Im Ergebnis profitierten die Testpersonen von der Therapie.

Dieser personalisierte Ansatz ist sicher der komplizierteste, oder?

Es ist natürlich einfacher, wenn ein mRNA-Impfstoff für mehrere Patienten passend ist. Andererseits haben wir in der Pandemie gesehen, dass solche Impfstoffe verhältnismäßig einfach hergestellt werden können und auch bei schnell Mutierenden Viren wirksam sind. Tumorzellen verändern sich wahrscheinlich sogar noch schneller als Viren.

Was erwarten Sie in Zukunft von mRNA-Vakzinen?

Ich denke, dass es eine wirklich interessante Technologie ist, die zukünftig in der Krebsbehandlung eine wesentliche Rolle spielen wird. Die mRNA-Technologie wird mit Sicherheit eine weitere Säule in der Therapie von Patienten sein und hoffentlich das Leben von Erkrankten wirksam verlängern.

 

Fotoquelle: privat

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