Auf Mission gegen Antibiotikaresistenzen
XTRA-ARTIKEL AUSGABE 2/2024
Mikael Olsson, Gründer und CEO von Sysmex Astrego, erklärt, was die Entwicklung eines schnellen Verfahrens zur Bestimmung von Antibiotikaresistenzen (AMR) verändert und welche Rolle die Auszeichnung mit dem „Longitude Prize on AMR“ dabei spielt.
Interview: Tom Rademacher

Herr Olsson, Ihr Unternehmen hat jüngst den „Longitude Prize on AMR“ erhalten, den mit acht Millionen Pfund höchstdotierten Wissenschaftspreis der Welt. Was hat es damit auf sich?
Wir wurden ausgezeichnet für die Entwicklung eines bahnbrechenden Diagnosetools. Es beschleunigt und vereinfacht nicht nur die Diagnose einer bakteriellen Infektion. Mit ihm lässt sich an Ort und Stelle auch das zur Behandlung wirksamste Antibiotikum bestimmen. Das ist wichtig im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen, die eine globale Bedrohung darstellen. Zuletzt verstarben durch derart resistente Keime rund 1,5 Millionen Menschen pro Jahr – mehr als an HIV und Malaria zusammen. Jüngsten Schätzungen zufolge könnte eine solche Antimicrobial Resistance, kurz AMR, ab dem Jahr 2050 bis zu zehn Millionen Menschenleben pro Jahr fordern. Der 2014 von Challenge Works mit Förderung von Nesta und Innovate UK ausgerufene „Longitude Prize on AMR“ suchte Antworten darauf.
Was war notwendig, um diese Antworten zu finden?
In unserem Gerät stecken mehr als zehn Jahre engagierte Forschung und Entwicklung. Wir haben ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Mikrobiologie, Ingenieurwesen, Datenwissenschaften und anderen zusammengestellt, haben eng mit Kliniken zusammengearbeitet, um deren Bedürfnisse und Einschränkungen genau zu verstehen. Es galt nicht nur eine clevere Idee zu validieren, sondern wir wollten möglichst schnell ein Gerät bereitstellen, das effektiv und sehr benutzerfreundlich im klinischen Alltag funktioniert. Gerade die schnelle Bestimmung von bakterieller Infektion und Antibiotikaempfindlichkeit am Point-of-Care war eine der Zielvorgaben des „Longitude Prize on AMR“. Dies wurde gewissermaßen zur Blaupause für unsere Entwicklungsarbeit und unser Unternehmen.
Was hat sich verändert?
Unser Diagnosetool verwendet moderne Bildgebung und maschinelle Lernalgorithmen, um die Bakterien zu identifizieren und dann parallel mehrere Antibiotika auf ihre Wirksamkeit zu testen. Der gesamte Prozess ist automatisiert und liefert ein Ergebnis binnen 45 Minuten — statt wie bislang binnen zwei bis drei Tagen.
Wem nützt das und wie?
Für Behandelnde bedeutet es, dass sie praktisch sofort eine fundierte Entscheidung über die passende Therapie treffen. Patientinnen und Patienten bekommen schnell und gezielt die wirksamste Behandlung, was das Risiko von Komplikationen verringert und die Genesung beschleunigt. Insbesondere aber nützt es der Gesellschaft und wirklich der Menschheit, weil wir die Ausbreitung antibiotikaresistenter Bakterien eindämmen, indem wir zum Beispiel den leider allzu oft unnötigen oder blinden Einsatz von Breitspektrumantibiotika reduzieren und unter Umständen selbst ältere, ausgemusterte Antibiotika wieder effektiv einsetzen können.
Was bedeutet die Auszeichnung für Ihre Arbeit?
Der „Longitude Prize on AMR“ ist eine unglaubliche Ehre für uns alle. Schon darauf hinzuarbeiten, hat alle in unserem Team immens beflügelt. Es ist nun mal etwas anderes, wenn man an einem der ganz großen Menschheitsprobleme arbeitet. Ich bin überzeugt, dass wir auch deshalb schneller ans Ziel gekommen sind, als wir es uns selbst erträumt hatten.
Dass wir den Preis dann wirklich bekommen haben, bestätigt unseren Ansatz und unterstreicht die globale Bedeutung unserer Mission. Neben dem Preisgeld gibt uns das auch noch einmal Antrieb und Rückendeckung für unseren weiteren Weg. Es geht jetzt darum, das System auf weitere Erkrankungen zuzuschneiden und es möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Außerdem bietet uns der Preis eine Plattform, um noch stärker das Bewusstsein für AMR und die Bedeutung neuer Diagnosetools im Kampf gegen diese globale Bedrohung zu schärfen.
MIKAEL OLSSON
machte im Jahr 2000 seinen Abschluss in technischer Physik an der Universität Uppsala in Schweden und verlegte sich anschließend schnell auf Lab-on-a-Chip-Technologien. Nach Stationen in verschiedenen IVD-Diagnostikunternehmen war er 2017 einer der Gründer des Unternehmens Astrego Diagnostics, das 2022 Teil der Sysmex Gruppe wurde.