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Scientific Kalender Januar 2020

Krebs und Thrombose

Welche Krebsart weist während der systemischen Behandlung das höchste VTE-Risiko auf?

Kolonkarzinom

Pankreaskarzinom

Mammakarzinom

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Wissenschaftlicher Hintergrund

Die krebsassoziierte venöse Thromboembolie (VTE) ist die zweithäufigste Todesursache bei Krebspatienten nach dem Krebs selbst. Bei Krebspatienten kann das VTE-Risiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um das Vier- bis Siebenfache erhöht sein. Das Risiko unterscheidet sich zwischen einzelnen Patienten erheblich und ist abhängig von Faktoren wie der Malignität selbst, der Behandlung und patientenassoziierten Merkmalen, die in Tabelle 1 aufgeführt sind.1, 2

Tabelle 1 Risikofaktoren für krebsassoziierte VTE

GRUPPE

RISIKOFAKTOR

Krebsassoziierte Risikofaktoren  
  Tumorsitus und -größe
  Tumorstadium und -grad
  Zeitabstand nach der Diagnose (bis zu sechs Monate)
Therapieassoziierte Risikofaktoren  
  Chemo- und Radiotherapie
  Hormontherapie
  Venenverweilkatheter
  Operation
  Antiangiogenetische Mittel
Patientenassoziierte Risikofaktoren  
  Alter
  Ethnizität
  Geschlecht
  Durch die Lebensweise bedingte Risikofaktoren, d. h. Rauchen, Adipositas oder Immobilität
  Hormonstatus
  Thrombose in der Anamnese

 

Bei einigen Krebsarten ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine VTE entwickelt, höher als bei anderen. Brustkrebs ist jedoch die Erkrankung mit dem höchsten VTE-Risiko. Die VTE tritt im Allgemeinen während der systemischen Behandlung auf.3

Veränderungen der physiologischen Parameter wie erhöhte Thrombozyten- und Leukozytenzahlen oder reduzierte Hämoglobinspiegel waren nachweislich Indikatoren einer Chemotherapie-assoziierten VTE.2

Ein weiterer häufig verwendeter Parameter ist D-Dimer, aber die VTE-Inzidenz in Verbindung mit erhöhten D-Dimer-Spiegeln ist bei den einzelnen Krebsarten unterschiedlich. Im Vergleich zu anderen wird die höchste Inzidenz bei Patienten mit Kolorektalkarzinom festgestellt (Einjahresinzidenz von TVT 20 % (95%-KI, 12–31 %) bzw. 5 % (95%-KI, 2–12 %)).4 Bei Brustkrebspatientinnen sind die D-Dimer-Spiegel höher bei Patientinnen mit Beteiligung der Achsellymphknoten als bei Patientinnen ohne.5 Ein anderer Biomarker, der auf das VTE-Risiko bei Brustkrebs hindeuten kann, ist der Thrombin-Antithrombin-Komplex (TAT-Komplex) im Plasma, der wie D-Dimer erhöht ist.6

Der Gewebefaktor (Faktor III), der als physiologischer Aktivator der Hämostase wirkt und als Beschleuniger der Aktivität der Krebsstammzellen ermittelt wurde, ist bei Krebspatienten ebenfalls erhöht und wird in Form von Mikropartikeln in den Kreislauf freigesetzt. Als Assays zur Beurteilung des Gewebefaktors finden z. B. die immunhistochemische Klassifizierung der Gewebefaktor-Expression auf Tumorzellen, die Messung des Gewebefaktor-Antigens mit der ELISA-Technik [z. B. ZYMUTEST™ Total Tissue Factor (RUO); Hyphen Biomed, ein Unternehmen der Sysmex Gruppe; Neuville-sur-Oise, Frankreich], die Proagulans-Aktivität von Gewebefaktor-Mikropartikeln [z. B. ZYMUPHEN™ MP-TF (RUO); Hyphen Biomed, ein Unternehmen der Sysmex Gruppe; Neuville-sur-Oise, Frankreich] oder die Durchflusszytometrie Anwendung. Studien belegen einen Zusammenhang zwischen einem erhöhten Gewebefaktor und VTE, aber dies ist auf bestimmte Tumorstellen und -stadien (Pankreas- und Ovarialkarzinom) beschränkt und kann nicht für die Gesamtprognose verwendet werden.2

Prothrombinfragment F 1+2, Urokinasetyp-Plasminogenaktivator (uPA) und Plasminogenaktivator-Inhibitor-1 (PAI-1) sind ebenfalls mit einem erhöhten VTE-Risiko assoziiert, aber ihr prädiktiver Wert wird in verschiedenen Studien kontrovers diskutiert.7, 8, 9 In Tabelle 2 ist die Inzidenz abnormer Koagulationsbiomarker bei Krebspatienten zusammengefasst.

Tabelle 2 Inzidenz abnormer Koagulationsbiomarker bei Krebspatienten diverser Entitäten

BIOMARKER

INZIDENZ (%)

REFERENZBEREICH

D-dimer 50 – 90 ≤ 0.5 mg/l FEU
Fibrinogen 40 – 80 1.7 – 4.2 g/l
TAT Komplex 40 – 70 < 4 ng/ml
FDP 60 – 80 < 10 µg/ml
Prothrombinfragment 1+2 35 – 55 0.069 – 0.229 nmol/l
Thrombozytose 5 – 80 150 – 350 x 109/l

 

Biomarker unterstützten die Prognose des Risikos der Entwicklung einer VTE; eine sorgfältige Beurteilung und Behandlung des Patienten ist jedoch äußerst wichtig, um sie zu verhindern. Deshalb haben sich mehrere Prognosemodelle etabliert, bei denen die Konzentrationen bestimmter Biomarker sowie die Krebsart und andere Patientencharakteristika betrachtet werden, um Ärzte bei der VTE-Prävention zu unterstützen. Das bekannteste Modell nach Khorana et al. ist in Tabelle 3 dargestellt.2

Tabelle 3 Prognosemodell für Chemotherapie-assoziierte VTE

PATIENTENCHARAKTERISTIKA

SCORE

Tumorentität  
Sehr hohes Risiko (Magen, Pankreas) 2
Hohes Risiko (Lunge, Lymphom, gynäkologischer Tumor, Blasen-, Hodenkrebs) 1
Thrombozytenzahl vor Chemotherapie ≥ 350 x 109/l 1
Hämoglobinkonzentration < 100 g/l oder Anwendung von Erythropoese-stimulierenden Substanzen 1
Leukozytenzahl vor Chemotherapie > 11 x 109/l 1
Body-Mass-Index ≥ 35 kg/m2 1

 

Hoher Risiko-Score: ≥ 3; mittlerer Risiko-Score: 1–2; niedriger Risiko-Score: 0

Die Bestimmung neuartiger VTE-assoziierter Biomarker bei einzelnen Malignitäten ist erforderlich, um die Entwicklung von Krebsart-spezifischen Scoring-Systemen mit verbessertem prädiktivem Wert voranzutreiben.

Literatur

[1] Blom JW, Doggen CJ, Osanto S, Rosendaal FR. (2005): Malignancies, prothrombotic mutations, and the risk of venous thrombosis. JAMA 293(6):715–722.
[2] Alok A. Khorana. (2012): Cancer and Coagulation. Am J Hematol 87:S82–S87.
[3] Cohen AT, Katholing A, Rietbrock S, Bamber L, Martinez C. (2017): Epidemiology of first and recurrent venous thromboembolism in patients with active cancer. A population‐based cohort study. Thromb Haemost 117(1):57–65.
[4] Stender MT, Frokjaer JB, Larsen TB et al. (2009): Preoperative plasma D-dimer is a predictor of postoperative deep venous thrombosis in colorectal cancer patients: A clinical, prospective cohort study with one-year follow-up. Dis Colon Rectum 52:446–451.
[5] Blackwell K, Haroon Z, Broadwater G, Berry D, Harris L, Iglehart JD et al. (2000): Plasma d-dimer levels in operable breast cancer patients correlate with clinical stage and axillary lymph node status. J Clin Oncol 18(3):600–608 (PubMed PMID: 10653875).
[6] Topcu TO, Kavgaci H, Canyilmaz E, Orem A, Yaman H, Us D et al. (2015): The effect of adjuvant chemotherapy on plasma TAT and F 1 + 2 levels in patients with breast cancer. Biomed Pharmacother 73:19–23 (PubMed PMID: 26211577).
[7] Lampelj et al. (2015): Urokinase plasminogen activator (uPA) and plasminogen activator inhibitor type-1 (PAI-1) in breast cancer – correlation with traditional prognostic factors. Radiol Oncol 49(4): 357-364.
[8] Völker et al. (2018): Levels of uPA and PAI-1 in breast cancer and its correlation to Ki67-index and results of a 21-multigene-array. Diagnostic Pathology 13:67.
[9] Ferroni et al. (2014): Plasma Plasminogen Activator Inhibitor-1 (PAI-1) Levels in Breast Cancer – Relationship with Clinical Outcome. ANTICANCER RESEARCH 34:1153–1162.
[10] Mandoj et al. (2018): Observational study of coagulation activation in early breast cancer: development of a prognostic model based on data from the real world setting. J Transl Med 16:129.

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